NEIN ist erst der Anfang

Blogtext (für die Visuellen), Lesezeit ca. 7 min,
Podcast (für die Auditiven)
Seminaroption vom 3. bis 4. Juli 2024 „Selbstbewusst „NEIN“ sagen und akzeptieren

Podcast zum Text:

Blogtext: Lesezeit: ca 7 min

Eigentlich ist es ganz einfach, und doch kommt uns das kleine Wort „Nein“ oft so schwer über die Lippen…

„Kannst du meinen Termin morgen übernehmen? Ich habe eine Zusatzaufgabe vom Chef bekommen und schaff den morgen nicht auch noch. Ja?!“

„Du kannst doch bestimmt noch die Post wegbringen, liegt ja quasi auf deinem Weg, oder?“

„Mama kannst du mich mit dem Auto zum Training fahren? Es regnet bestimmt gleich!!!“

„Ich habe noch ein wichtiges Anliegen, können wir das gleich diskutieren?“

„Ich mach gleich aus!“ (Kind/ Jugendlicher bereits 10 Minuten über der vereinbarten Medienzeit)

„Es macht dir doch nichts aus, noch etwas mehr zu dem Geburtstagsgeschenk dazuzugeben, oder?“

„Können Sie Ihren Urlaub verschieben? Sie wären meine Rettung!“

NEIN – ach, wie schön wäre es, wenn mir dieses Wort so leicht über die Lippen käme, wenn die Kollegin noch schnell meinen Rat will, wenn mein Kind noch schnell das Computerspiel zu Ende spielen will, wenn ich noch einen Termin dazwischen schiebe, obwohl ich eigentlich eine volle Woche habe und dann abends keine Energie mehr aufbringen kann, um zum Yoga zu gehen. Manchmal scheint es mir fast unmöglich, das, was in mir vorgeht, nach außen zu tragen. Unmöglich, Dinge abzulehnen, die ich nicht tun möchte. Die Folge ist, dass ich dann Dinge mache, die ich eigentlich nicht tun wollte – zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Und dass ich Zeit investiere, die ich anders verbringen möchte. Was genau dabei eine Rolle spielt, dass ich mich immer wieder als „Ja“-Sagerin erlebe oder als eine, die zum Teil ihre Grenzen nicht setzt – und du vielleicht auch – , das werden wir jetzt erforschen…

Die Macht des „Ja“: Weshalb wir glauben, dass es sich lohnt zuzustimmen, auch wenn wir eigentlich ablehnen möchten
Als „Ja“-Sagerin werde ich als hilfsbereit wahrgenommen. Ich erlebe mich als großzügig und meine Selbstachtung steigt, wenn ich anderen helfe. Für das Wohlgefühl der Gruppe bin ich bereit, Kompromisse einzugehen und nehme die oberflächliche Harmonie in Kauf. Ich kann Konflikten aus dem Weg gehen und muss keine Verantwortung übernehmen, z.B. für ein neues Ausflugsziel oder eine Software für ein berufliches Projekt, wenn ich mit dem bisher Geplanten nicht einverstanden bin. Ich falle nicht auf und muss mir keine Gedanken darüber machen, was andere über mich denken.

Die Ursprünge unseres „Ja“-Sagens lassen sich in unserer Lebensgeschichte finden. Schuldgefühle, die Angst vor Ablehnung, die Furcht vor Konsequenzen oder die Sorge, als egoistisch abgestempelt zu werden, können hierbei eine Rolle spielen. Doch wer zu oft „Ja“ sagt, läuft Gefahr, auszubrennen. Ein Sprichwort sagt:

„Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein“.

Risiken und Nebenwirkungen für „Ja“-Sager*innen
„Ja“ zu sagen, kann Nachteile haben. Meine Meinung wird oft nicht wahrgenommen, man hält mich für langweilig oder nimmt mich nicht ernst. Ich investiere viel, um von allen geliebt zu werden und lasse mich leicht für die Interessen anderer einspannen. Es kann sein, dass ich bei anderen ein schlechtes Gewissen auslöse, weil ich zustimme, wo andere „Nein“ sagen würden.

Hier geht’s um mich: Meinem Ich ein „Ja“ geben

„Auf dem Altar der Harmonie opfern wir unsere Bedürfnisse.“ Wes Taylor

Bin ich bereit, auf die Vorteile des „Ja“-Sagens zu verzichten? Das scheint mir die erste Herausforderung zu sein.Wenn es jedoch schwierig ist, „Nein“ zu sagen und Harmonie wichtiger scheint, als meine Grenzen zu setzen, kann es hilfreich sein, mir klarzumachen, dass ein „Nein“ auch ein indirektes „Ja“ sein kann.

JA…

  • zu meinen eigenen Bedürfnissen, Werten und Zielen
  • zu meinen eigenen Sichtweisen und Standpunkten
  • zu meiner persönlichen Zeiteinteilung.

NEIN ist erst der Anfang: Warum es unser Leben verändern kann, wenn wir „Nein“ sagen

Im Alltag ist es wichtig, klar und authentisch „Ja“ oder „Nein“ sagen zu können, um gut mit mir und anderen umzugehen. Indem wir unsere Bedürfnisse offen kommunizieren und andere in unsere Entscheidungen einbeziehen, stärken wir die Verbundenheit und das Verständnis füreinander. Auch wenn ein „Nein“ zunächst belastend erscheint, kann es Wertschätzung zeigen und eine ehrliche Beziehungsgestaltung unterstützen.

„Die Achtung vor einem Menschen zeigt sich in der Achtung vor seinem Nein.“ Erich Visotschnig

Und wenn es mir schwer fällt, mein „Nein“ offen auszusprechen, dann kann ich mich fragen: Stehe ich wirklich hinter meinem „Nein“ oder sind da noch leise oder auch ganz laute Unsicherheiten und Zweifel in mir? In dem Fall wird es mir schwer fallen, „Nein“ zu sagen und vor allem bei meinem „Nein“ zu bleiben. Um ein „Nein“ zu formulieren, ist es hilfreich, mich vorher zu vergewissern, was ich fühle und brauche. Damit ich Klarheit habe, worum es mir geht.

Und wenn ich weiß, wofür ich mich mit meinem „Nein“ einsetze, dann gehe ich in einen empathischen Kontakt mit den Bedürfnissen meines Gegenübers. Ich versuche, bevor ich ins Gespräch gehe, mich im Stillen einzufühlen: Worum geht es dem*der anderen? Wofür setzt er*sie sich mit seinem*ihrem für mich sichtbaren und hörbaren Verhalten ein?

Bevor ich meine Grenzen setze und ein „Nein“ ausspreche, ist es wichtig, mich zu fragen: „Bin ich jetzt gerade stark genug und habe ich genug Energie, um mit den unmittelbaren Reaktionen auf mein „Nein“ umzugehen? Bin ich bereit, einfühlsam auf möglicherweise unangenehme Reaktionen meines Gegenübers zu reagieren, wie Tränen, Wutausbrüche oder Schweigen? Oder ist es besser, das Gespräch zu verschieben und mir Zeit für Selbstreflexion und Selbstempathie zu nehmen?“

„NEIN beinhaltet immer ein JA zu etwas anderem. So betrachtet ist es der Beginn und nicht das Ende eines Gesprächs.“ Inbal Kashtan

Wenn ich mich entscheide, meine Grenzen deutlich zu machen und mit „Nein“ zu antworten, ist es für mich und unsere Beziehung entscheidend, dass ich bereit bin, in einen offenen Austausch zu treten. Mit einer klaren Haltung zu meinem „Nein“ und dem „Ja“ dahinter. Ich bin bereit, meinem Gegenüber zuzuhören und zu verstehen – ohne zwangsläufig einer Meinung zu sein.

So können wir, möglicherweise nicht sofort aber vielleicht nach einigen Runden des gegenseitigen Zuhörens und Verstehens, zu einer Lösung kommen, die für uns beide sinnvoll und tragfähig ist. So kann aus einem „Nein“ am Ende ein „Ja“ für alle Beteiligten werden: „Ja, so können wir uns gemeinsam einigen. Ja, ich verstehe deine Sichtweise.“

„Nein“ zu sagen und Grenzen zu setzen, fordert mich immer wieder heraus. Und gleichzeitig merke ich, wie viel Raum und Klarheit dadurch entsteht und wie gut es mir und meiner Beziehung zu mir selbst und zu anderen tut, wenn ich auch „Ja“ sage zu den Bedürfnissen, die ich mir mit einem „Nein“ erfülle. So komme ich in Kontakt mit Bedürfnissen, die ohne mein „Nein“ zu kurz kommen. Bedürfnisse, die mir auch sehr wichtig sind. Eine spannende, immer wieder neue Entdeckungsreise. NEIN ist erst der Anfang…

Im Seminar „Selbstbewusst „NEIN“ sagen und akzeptieren“ am 3. und 4. Juli 2024 lernst du Methoden kennen, die zu innerer Klarheit führen und es leichter machen, „Nein“ zu sagen und dennoch zuzuhören und in Kontakt zu bleiben. Ich teile meine Erfahrungen und mein Wissen zu diesem Thema. Bist du dabei? Ich würde mich freuen, mit dir gemeinsam zu forschen! Hier geht’s zur Anmeldung…

Herzliche Grüße, Sabine Dieterle

Was uns unsere Gedanken ermöglichen und wovon sie uns abhalten – darum geht es in der nächsten Folge des Seefunks.


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Quellen zum Artikel und zur weiteren inhaltlichen Vertiefung:

Klaus Blaser: „Sag Ja zum Nein sagen“, Klett-Cotta Verlag
Jacqui Marson: Zu nett für diese Welt? Wer Nein sagen kann, hat mehr vom Leben. Goldmanns Taschenbücher
Anne Van Stappen: Das Übungsheft für gute Gefühle – Grenzen setzen, Nein sagen, Scorpio
Gisela Ruffer, Herbert Ruffer: Selbstbewusst NEIN sagen Grenzen setzen – Grenzen achten, Junfermann-Verlag