mit Podcast und Impulsen zum Nachdenken und Üben
Podcast zum Text:
Lesezeit: 9 min
Wie hängen nun die drei Säulen der GFK, die 3 Möglichkeiten der Verbindung: Selbstverbundenheit/Selbstempathie, Einfühlungsvermögen in andere/Empathie und Selbstausdruck/Aufrichtigkeit, die du in den Folgen 1 – 3 kennen gelernt hast, mit den vier Schritten der GFK zusammen? Die 5 Schritte nach Gerlinde Ruth Fritsch lernst du nun nach und nach kennen.
In dieser Folge und der nächsten Folge möchte ich auf die Schritte Gefühl und Bedürfnis und deren Bedeutung für die Verbindungsoptionen Selbstverbundenheit/ Selbstempathie und Empathie eingehen.
Selbstempathie ermöglicht uns eine neue Art uns selbst zu verstehen. Marshall Rosenberg sagt: „Um Empathie zu geben, brauchen wir selbst Empathie.“ Und was liegt näher, als sich dieses Einfühlungsvermögen zunächst selbst zu geben. Wenn ich mir selbst begegne, wenn ich fühle, wie ich mich fühle, z.B. frustriert, gestresst, einsam, müde, wenn ich spüre, was in meinem Körper los ist, z.B. verspannte Schultern, unruhiger Bauch, Kribbeln im Körper, Rückenschmerzen, …, wenn ich wahrnehme, was ich in solchen Momenten brauche, z.B. Wertschätzung, Ruhe, Selbstvertrauen, Gehörtwerden, …, dann gelingt es mir, in einen fühlenden Kontakt mit mir zu kommen, in eine Verbindung mit mir selbst, jenseits einer denkenden oder handelnden Bewältigung einer herausfordernden Situation. Und es gibt Momente, in denen ich es brauche, dass andere sich in mich einfühlen, weil meine Fähigkeit zur Verbindung mit mir selbst nicht ausreicht, um meinen Vorrat an Empathie aufzufüllen. Je besser ich mich selbst kenne, desto eher kann ich entscheiden, ob ich empathisch für mich selbst da sein kann oder ob ich Empathie von einer anderen Person aus meinem Freundeskreis, meiner Partner*in oder meiner GFK-Übungsgruppe erbitte. Oder wenn mein Spüren, mein Fühlen eher von kraftvoller Energie geprägt ist, ich mich „genährt und geklärt“ erlebe und dann anderen Empathie schenken kann.
Und falls du dich jetzt unruhig auf deinem Sitz hin- und herbewegst bei dem Gedanken anderen um etwas zu bitten, dann freue ich mich, wenn du dennoch weiter mit dabei bist in dieser Folge, im Sinne von Wachstum, Entwicklung, Selbstfürsorge und Miteinander.
In der Gewaltfreien Kommunikation geht es darum, wahrzunehmen und zu achten, was ich selbst und was andere zum Leben brauchen. Im Umgang mit mir selbst kann ich das immer wieder neu entdecken, wenn ich es zulasse. Wenn ich bereit und in der Lage bin, meine eigenen Bedürfnisse und die meiner Mitmenschen wahrzunehmen und zu achten, dann kann ich die Bereicherung der GFK für mein Leben erfahren – immer wieder. Dominic Barter spricht in einem Interviewbeitrag von „Instant community“, ich übersetze es mit „unmittelbar verfügbare Gemeinschaft“ und weiter „Sie werden feststellen, dass Ihr Leben völlig mit dem Leben anderer Menschen verwoben ist.“
Vivian Dittmar schreibt in ihrem Buch „beziehungsweise“: „Wir brauchen einander.“
Es geht also darum, dass wir einander brauchen, um für uns selbst zu sorgen, dass wir unser Leben mit dem Leben anderer Menschen verweben, dass wir eine Gemeinschaft haben, die immer dann zur Verfügung steht, wenn wir Empathie brauchen, um für uns selbst gut sorgen zu können.
Dominic Barter macht im Interviewbeitrag deutlich, dass die Energie, die wir wahrnehmen und nutzen können, wenn wir fühlen, uns neue Handlungsräume eröffnet. In meinem Verständnis von Empathie ist es daher entscheidend, zu fühlen und mir meiner Gefühle, meiner Körperempfindungen bewusst zu werden. Und ich möchte nochmals Dominic Barter zitieren: „Empathie ist Verbundenheit, ein Zustand ohne Handlungsimpuls“.
Zuallererst die Verbindung zu mir selbst, mich immer besser verstehen und manchmal auch ertragen zu können – gerade dann, wenn ich mit mir selbst schwer zurechtkomme. Und dann eine Verbundenheit mit den anderen, mit denen ich dann auch wieder in einem einfühlsamen oder in einem aufrichtigen Kontakt bin oder überhaupt erst in einem Kontakt sein kann.
Um wahrzunehmen, ob meine Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht, helfen mir meine Gefühle. Sie sind Wegweiser zu meinem Bedürfnis. Und so wie wir bei technischen Geräten aufmerksam werden, wenn eine Warnleuchte aufleuchtet, sollten wir auch unseren Gefühlen Aufmerksamkeit schenken. Je früher wir wahrnehmen, wie wir uns fühlen und damit verbunden, welche Körperempfindungen wir haben, desto früher haben wir die Möglichkeit, uns mit dem, was wir brauchen, mit unseren Bedürfnissen zu verbinden. Gelebte Selbstverbundenheit / Selbstempathie also.
In Anlehnung an das 5-Schritte-Modell von Gerlinde Ruth Fritsch [eine Variation der 4 Schritte nach Rosenberg] möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie wir mit den Aspekten der 3 Säulen, mit denen wir uns in den ersten 3 Folgen mit dem GFK-Baum des Lebens beschäftigt haben, Selbstverbundenheit im Alltag leben können.
Die 4 bzw. 5 Schritte können so als Möglichkeiten, als „Werkzeugkasten“ genutzt werden, um mich empathisch mit mir selbst oder anderen zu verbinden bzw. in aufrichtigen Kontakt zu treten. Und mit Hilfe dieses Werkzeugkastens herauszufinden, welche Möglichkeit der Verbindung in diesem Moment möglich ist – im Kontakt mit mir selbst und mit den anderen?
In dieser Folge geht es darum, wie Empathie mit Gefühlen und Bedürfnissen zusammenhängt.
Betrachten wir zunächst die Dimension des Fühlens, die in der Regel eng mit dem Denken verknüpft ist:
Gefühle – als Zeichen von Lebendigkeit
Wie fühlst du dich, wenn du dich nicht magst?
Ich bin genervt. Und was noch? Was fühle ich sonst noch? Bin ich wütend? Bin ich unsicher oder ängstlich? Gestresst? Frustriert? Verzweifelt? Verlegen oder einsam? Wo und wie in meinem Körper spüre ich dieses Gefühl? Oder diese Gefühle? – Meist sind es mehrere gleichzeitig. Atme ich besonders schnell oder sind meine Hände zu Fäusten geballt? Wird mir heiß oder kalt? Spüre ich einen Druck in meinem Bauchraum? Welche Körperempfindungen kann ich spüren, wenn ich mir bewusst Zeit dafür nehme?
Oft, wenn ich mich auf das Fühlen und Spüren „einlasse“, begleiten Gedanken mein Körperspüren und meine Gefühlserkundung. Sage ich vielleicht etwas wie: „Ich fühle mich … klein, minderwertig, nutzlos, launisch, hässlich, nicht zugehörig, …“? Solche Selbstdiagnosen, die sich hinter dem Satzanfang „Ich fühle mich…“ verbergen, bezeichnen wir in der GFK als Pseudogefühle. Mit diesen Bezeichnungen bleiben wir auch bei den Gefühlen im Vorwurf an uns selbst. Um zu unseren zugrunde liegenden Gefühlen zu gelangen, können wir uns fragen: „Was fühle ich, wenn ich denke, dass ich launisch bin?“
Nimm‘ dir einen Moment Zeit, um diese Frage für dich zu beantworten. Wenn es dir angenehm ist, schließe die Augen.
„Was fühle ich, wenn ich denke, dass ich launisch bin?“ – zum Beispiel kann ich mich gestresst, unzufrieden, resigniert, traurig oder einsam fühlen. Andrew Schmookler schrieb dazu: „Wir können kein Mitgefühl für andere entwickeln, wenn wir jedes Fühlen in uns selbst vernichten. Die Fähigkeit, die eigenen wahren Gefühle anzunehmen, ist wiederum Bedingung dafür, andere dann tatsächlich in unser Herz lassen zu können.“
Da unsere Gefühle eng mit unseren Körperempfindungen verbunden sind, kann es sehr hilfreich sein, zunächst den eigenen Körper zu erforschen und wahrzunehmen, bevor ich mich mit Gefühlswörtern beschäftige. Um ins Fühlen, ins Spüren zu kommen.
Gefühle haben die Aufgabe, uns auf unsere Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Da unsere Gefühle uns auf erfüllte oder unerfüllte Bedürfnisse hinweisen, ist es hilfreich, Gefühle, auch wenn sie uns unangenehm sind, als Zeichen unserer Lebendigkeit und als Hinweis auf unsere Bedürfnisse zu verstehen, um die wir uns dann, wenn wir dies zulassen, kümmern können. So können wir, auch wenn wir genervt sind und uns eher passiv erleben, durch das Verstehen der Bedürfnisse, durch das Verstehen „Ah, das brauche ich jetzt!“ den Blick wieder auf die eigenverantwortliche Lebensgestaltung richten. Zu gegebener Zeit können wir dann wieder ins Tun kommen, um uns um unsere Bedürfnisse, die wir entdeckt haben, zu kümmern. Und manchmal genügt es, meine Gefühle zu fühlen, ihnen Zeit und Raum zu geben, sie in meinem Körper zu erleben, meinen Körper zu spüren, ohne ein passendes Gefühlswort zu finden, aber mit der Kraft, mich mit mir selbst zu verbinden, ohne sofort handeln zu wollen oder sofort eine Lösung finden zu müssen. Gefühle wollen gefühlt werden, dann ist der Weg zu erfüllten Bedürfnissen, z.B. dem Bedürfnis nach Authentizität, oft leichter.
In der nächsten Folge 5 werde ich noch konkreter auf die Bedürfnisse eingehen. Ich freue mich, wenn du wieder dabei sein wirst.
Herzliche Grüße
Sabine Dieterle
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Quellen zum Text und für’s weiter Umgehen mit dem Thema sind:
Interviewbeitrag Dominic Barter (engl., ca 3min)
https://www.youtube.com/watch?v=cuYrgtkS0Co
Vivian Dittmar:
„beziehungsweise – Beziehung kann man lernen.“, edition est
Gerlinde Ruth Fritsch:
„Praktische Selbst-Empathie“, Junfermann-Verlag und
„Der Gefühls- und Bedürfnisnavigator“, Junfermann-Verlag