Being Giraffe versus doing Giraffe


Blogtext (für die Visuellen), Lesezeit ca. 5 min,
Podcast (für die Auditiven)
Üben in der GFK-Übungsgruppe „See-Zeit“ Online und in Präsenz:
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Blogtext: Lesezeit: ca. 5 min

Geht es dir auch so, dass du schwankst zwischen großer Motivation, deinen Alltag gewaltfrei zu leben und zu sprechen, und dem Unbehagen, dass die Worte, die Sätze manchmal so zäh sind? Meine ersten Versuche mit der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) führten immer wieder zu Fragen: „Was machst du gerade? Warum sprichst du so komisch?“ – zunächst in mir, in meinem kritischen Inneren. Manchmal vermutete ich es in der Mimik oder Körpersprache meines Gegenübers. Und manchmal wurde es auch ganz deutlich ausgesprochen: „Wieso sprichst du so komisch?“ Und in diesen Momenten spürte ich dann peinliches berührt sein und Scham.

Auch heute noch, schwingt in mir die Frage mit: „Mache ich das richtig?“ Puh, wie tief sitzt dieses „ richtig und falsch “. Dann wird es meist nichts mit der Gewaltfreien Kommunikation, mit der gewaltfreien Haltung, die in unserem Miteinander wirksam wird, dann wird aus der empathischen Vermutung eher ein intellektuelles Verstehen wollen. Eine Analyse, welche Gefühle und Bedürfnisse beim anderen gerade vorhanden sind. Es eben „richtig“ machen wollen. In meinem Sprechen, in meinem in Kontakt kommen steckt leider oft noch „Doing Giraffe“ – was ich frei mit „Giraffe sein wollen“ übersetzen möchte. Damit meine ich, dass ich mich sehr bemühe, diese neue Haltung ins Sprechen zu bringen, und dass ich mich dann sehr stark an den Prozess, den ich gelernt habe, an die 4 Schritte (oder für die Empathie auch 2 Schritte) halten möchte, statt im Blick zu haben, wohin mich die GFK als Haltung eigentlich führen kann – nämlich Verbindung herzustellen.

Wirklich Giraffe sein – „Being Giraffe“ gelingt nicht, wenn ich zuerst nachdenke und im Kopf bin, wenn ich es besonders gut machen will, wenn ich unbedingt „richtig“ empathisch vermuten will, wenn ich die „perfekte“ Aufrichtigkeit formulieren will. Dann entsteht Distanz in mir, dann meldet sich meine innere Kritikerin: „Das schaffst du nie!“ oder „So entsteht natürlich keine Verbindung!“ und diese Distanz überträgt sich nach außen, steht einer gelingenden Verbindung im Weg.

 
Straßengiraffe trifft Kursgiraffe

In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) steht die Giraffe als Symbol für Empathie, denn sie hat das größte Herz aller Landtiere, einen langen Hals für den Überblick und kann mit ihrem Speichel Dornen (als Symbol für vorwurfsvolle Sprache) verdauen. Sie ist damit ein Symbol für verbindende Kommunikation. Im Gegensatz dazu steht der Wolf, der für hierarchisch-trennende Sprache steht und oft ohne Rücksicht auf Gefühle und Bedürfnisse urteilt. Die GFK wird auch Sprache des Herzens oder Giraffensprache genannt und basiert auf vier Schritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Ein typischer Satz könnte lauten: „Wenn ich … sehe/höre, fühle ich …, weil ich … brauche. Bist du bereit …zu tun?”. Nach meinen ersten Erfahrungen mit der GFK war ich sehr motiviert, diese vier Schritte in meinem Alltag zu sprechen. Da ich mich dabei unwohl fühlte und die Verbundenheit auch in den GFK-Kontexten, in denen ich mich bewegte, nicht so recht aufkommen wollte, habe ich es dann wieder aufgegeben, die GFK sprachlich in meinen Alltag zu bringen. Stattdessen übte ich mich in Selbstempathie, im Rückwärtsverstehen von Situationen, in Selbstwertschätzung und damit darin, die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation zu verinnerlichen. Irgendwann bin ich beim Lesen auf den Begriff „Streetgiraffe“ – „Straßengiraffe“ gestoßen. Dieser Begriff steht für das alltägliche Sprechen in der Haltung der GFK – man spricht auch von der „Alltagsgiraffe“ oder dem „straßengiraffischen“ Sprechen. Seitdem hat mich der Wunsch nach einem persönlichen GFK-Stil, in dem ich mich wohl fühle, in dem ich empathisch und aufrichtig in Kontakt treten kann, ohne merkwürdig zu wirken, nicht mehr losgelassen. Ich übe. Wenn ich ohne Scheu vor „richtig“ und „falsch“ spreche, gelingt es mir oft schon so, dass Verbindung entsteht und das, was mir wichtig ist, ankommt.

Being Giraffe – Alltagsgiraffe werden

„Being Giraffe“ bedeutet für mich, mich mit einer gewissen Leichtigkeit und Fehlerfreundlichkeit auf die neue Art der Kommunikation einzulassen.

„Being Giraffe“ bedeutet für mich, mein Herz zu öffnen und dort die Verbindung zu mir selbst und dann die Verbindung nach außen entstehen zu lassen.

„Being Giraffe“ bedeutet für mich, meinen eigenen Stil zu finden, Wörter, Sätze, Formulierungen in mein Sprechen zu integrieren, zu üben, auszuprobieren, um dann immer mehr die Art und Weise zu finden, mit der ich mich wohl fühle, stimmig und authentisch.

„Being Giraffe bedeutet für mich, GFK als Haltung zu leben und zu sprechen, zunehmend unbewusst, wie eine Sprache, die ich neu lerne und in der ich irgendwann ankomme.


In meinen Seminaren und Übungsgruppen werde ich immer wieder nach einem Buch gefragt, in dem straßengiraffische Formulierungen zu finden sind. Ein solches Buch ist mir noch nicht untergekommen, aber der Traum, eines Tages gemeinsam mit anderen ein solches Buch zu schreiben, ist in meinem Kopf. Wer weiß, was noch kommt…

Bis dahin möchte ich eine Sammlung beginnen, die wachsen kann und in der alle, die wollen, schmökern können, Formulierungen beisteuern können und so immer öfter die passenden Worte finden für das, worum es uns geht, wenn wir uns mit GFK beschäftigen und sie eben auch sprachlich gestalten wollen – Verbindung.


Hier geht’s lang zu „Straßengiraffisch“ bei Klarseen,
der Sammlung von umgangssprachlichen Bedürfnisworten, Satzanfängen zum empathischen Vermuten, GFK-Sprache, die du mit in deinen Alltag nehmen kannst, sodass es irgendwann leicht geht mit dem sprachlichen Verbinden.


Im nächsten Seefunk geht’s um Selbstresonanz nach Sarah Peyton und es gibt ein Meditations-Special von Isabelle Montaleone von Atmashanti Yoga – lass dich überraschen…

Herzlichen Gruß zu dir, Sabine Dieterle



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