Das GFK-Tanzparkett nach Bridget Belgrave und Gina Lawrie

GFK in Bewegung

Blogtext (für die Visuellen), Lesezeit ca. 10 min,
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Blogtext: Lesezeit: ca. 10 min

Im heutigen Seefunk nehme ich euch mit auf das GFK-Tanzparkett! Gemeinsam erforschen wir ein Modell, das Bewegung in unsere Gesprächskultur bringt – den „GFK-Dance Floor“ von Bridget Belgrave und Gina Lawrie.

Zum Einstieg lassen wir die beiden Entwicklerinnen selbst zu Wort kommen – mit einem Zitat aus ihrem Handbuch (den Link findet ihr wie immer bei den Quellen):

„Das Tanzparkett ist eine räumliche Darstellung von GFK-Prozessen. Große, farbige Karten werden in verschiedenen Anordnungen auf dem Boden ausgelegt. Jede Karte stellt einen Schritt im Kommunikationstanz dar. Menschen, die GFK lernen, stehen auf und „tanzen“ über die Karten und damit durch die einzelnen Schritte der GFK in einem Rollenspiel, oft mit der Begleitung von Trainern, oder der Unterstützung durch andere Seminarteilnehmer. Jeder Tanz dient dazu, unser Bewusstsein und unsere Fähigkeiten auf bestimmten Gebieten der GFK zu entwickeln.“

Das Tanzparkett ist laut dem Handbuch seiner Entwicklerinnen ein lebendiges Lerninstrument, das die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) in Bewegung übersetzt. Es vereint visuelle, auditive, kinästhetische und räumliche Lernzugänge auf ganzheitliche Weise. Bodenkarten, Rollen und räumliche Dynamik schaffen einen Erfahrungsraum, in dem Lernen durch Bewegung, Beobachtung und Resonanz geschieht. Aus meiner eigenen Erfahrung – in meiner persönlichen Auseinandersetzung mit der Methode, meinem „tanzen“ als Seminarteilnehmerin in Begleitung oder in meiner Rolle als Trainerin – berührt mich das Tanzparkett tief. Es bringt die vier Schritte der GFK aus dem Kopf in den Körper. Es aktiviert Intuition und Selbstausdruck und richtet meine Aufmerksamkeit immer wieder neu aus: „Welches Feld spricht mich gerade an?“, „Wohin zieht es mich?“, „Was braucht jetzt meine Präsenz?“ Ich erlebe, wie durch das Gehen und Spüren meine Körperwahrnehmung wächst – wie Fühlen einen Raum bekommt. Ich lerne mit Neugier und Respekt weiter, denn das Potenzial dieser Methode scheint mir noch längst nicht ausgeschöpft. Es öffnet ein inneres Forschungsfeld, das ich Schritt für Schritt erkunde.

Im Rahmen unseres Jahrestrainings 2026 KLARSEE – Vom ICH zum DU zum WIR gestalten wir einen eigenen Erfahrungsraum auf dem Tanzparkett – mit vielfältigen Tänzen von Bridget Belgrave und Gina Lawrie. Für diesen Seefunk bekommst du einen Einblick in die vier Schritte der GFK in Bewegung, sowie in die als „Wolfsshow“ bekannte Sichtbarmachung von Gedanken, Bewertungen, Urteilen. Das Tanzparkett, wie ich es heute nutze und hier beschreibe, ist das Ergebnis meines eigenen Lernprozesses – über die Jahre habe ich die Methode Schritt für Schritt kennengelernt, für mich angepasst und als Bestandteil meiner Seminararbeit weiterentwickelt. Dabei bin ich vielen Menschen begegnet, die ihr Wissen geteilt und mir Lern- und Erfahrungsräume eröffnet haben. Dafür empfinde ich große Dankbarkeit – denn durch sie konnte ich diesen Zugang zur Gewaltfreien Kommunikation vertiefen und als wertvolles Werkzeug für mich und andere nutzbar machen.

Ich lade dich ein, mit mir auf das Tanzparkett der Gewaltfreien Kommunikation zu treten – hinein in einen Prozess, der ein Thema bewegt, das auch mich bewegt: die wiederholten Ausfälle von Unterricht aufgrund fehlender personeller Ressourcen im schulischen Alltag.

Ich versuche es erst gar nicht bei der Beobachtung zu starten. Zu sehr wühlt mich das Thema auf. Hier meine Wolfsshow:

Wolfsshow – dort bewegen mich die Fragen: Welche Gedanken, Bewertungen und Urteile höre ich in mir?

„Das System ignoriert Familien!“

„Eltern und Kinder werden mit den Folgen allein gelassen.“

„Wie soll ich denn gleichzeitig arbeiten und für meine Kinder da sein? Das ist unmöglich!“

„Ich schaffe das nicht. Ich habe keine Geduld, mich dauernd umzustellen und überraschend auf Fürsorge und Miteinander umzuschalten!“

„Ich bin doch keine Lehrerin! Seit der Pandemie habe ich diesen Job zusätzlich an der Backe. Was sollen Eltern denn noch alles machen?“

„Meine Kinder sind so verführbar mit Medien.“

„Das Schulsystem ist dauerhaft nicht zuverlässig!“

Diese Gedanken sind ein Ausschnitt – dahinter liegt ein weitreichender Denk- und Erfahrungsraum. Die Wolfsshow ist für mich ein besonderer Ort, in dem Gedanken und Impulse auftauchen dürfen, die ich mir sonst vielleicht nicht erlauben würde. Sie schafft eine Atmosphäre, die mich ruhiger werden lässt und klarer in Kontakt mit meinen Empfindungen bringt. Es ist der Beginn eines Weges, auf dem sich Denken und Fühlen annähern – und ich bemerke, wie sich meine Aufmerksamkeit zum ersten Mal den Gefühlen zuwendet.

Wenn ich meine Gefühle voll und ganz spüre, dann nehme ich wahr:

„Ich bin besorgt“ – mein Atem wird flacher, meine Stirn ist angespannt.

„Ich bin traurig“ – meine Brust wird eng, meine Schultern sinken,

„Ich bin wütend“ – mein Puls steigt, Hände und Kiefer sind angespannt.

„Ich fühle mich ohnmächtig“ – mein Bauch ist zugeschnürt, mein Körper wirkt schwer.

Ich spüre, wie ich mehr bei mir ankomme. Die lauten Stimmen der Wolfsshow werden leiser. Die Anspannung löst sich, mein Atem wird ruhiger, mein Blick weiter. Es entsteht Raum: für mein Fühlen, für das, was sich in mir zeigt, wenn ich meiner inneren Welt wirklich zuhöre.

Jetzt wird die Beobachtung möglich – klar, ohne Bewertung. Ich frage mich: Was sind konkrete Auslöser, die ich wahrnehme? Was würde eine Kamera zeigen? Was würde eine Tonspur hörbar machen?

Sie würde zeigen:

  • Eine Mutter, die auf die Schul-App blickt und 6 ausgefallene Stunden für diese Woche entdeckt.
  • Ein Kind, das 1 Stunde später losgeht oder anstatt um 15.30 Uhr um 13.20 Uhr zu Hause ankommt.
  • Die elternleere Wohnung, Kinder die diese Zeit mit Handy, Social Media oder Videospielen verbringen.
  • Gespräche im Familienalltag drehen sich um Organisationsstress, Sorgen, Frustration und Vereinbarungen rund um Social Media und Co.
  • Das Gespräch mit anderen Eltern – ein „Schon wieder?!“

Das Tanzparkett wird zur Bühne für diese Wahrnehmungen – nicht als Drama, sondern als Einladung, mit Klarheit zu sehen, zu fühlen und zu handeln.

Jetzt zieht es mich fast magisch zum Bedürfnis: Was brauche ich?, Was ist mir wichtig?, Was liegt mir am Herzen?, Was wünsche ich mir?

Wenn ich mich mit meinen Bedürfnissen verbinde, entsteht Klarheit: Ich wünsche mir verlässliche Bildung und Betreuung – für meine Kinder und für alle Kinder. Ein stabiles Schulsystem, das Lehrkräfte unterstützt statt überfordert, ist mir genauso wichtig wie eine Struktur, die Eltern und Familien entlastet. Verlässlichkeit, Planbarkeit, Wertschätzung und ausreichend Ressourcen – das sind für mich zentrale Bedingungen für gelingendes Lernen und ein gesundes Miteinander. Am Ende steht für mich das Vertrauen – in meine Kinder, in uns Eltern und in eine Gesellschaft, die gemeinsam Verantwortung übernimmt.

Und wenn ich mir vorstelle, dass all das erfüllt ist – dann wird ein anderes Gefühl spürbar – ich gehe nochmal auf die Bodenkarte Gefühl:

Ich bin erleichtert. Ich bin ruhiger, weil ich Vertrauen spüre. Ich bin dankbar, weil Kinder gut begleitet werden. Weil ich als Mutter Entlastung erlebe. Ich bin verbunden – mit einem System, das trägt. Das nehme ich ganz deutlich wahr. Es trägt auch dieses System.

Ich betrete erneut die Bodenkarte Beobachtung. Ich denke an Klassenfahrten, Museumsbesuche, Stand-up-Paddling mit der ganzen Klasse, spontane Ausflüge ins Freie, an eine inspirierende Buchempfehlung, die bei meinem Kind Leselust geweckt hat. Ich erinnere mich an Projekte im Bereich Naturwissenschaft und Technik, kreatives Gestalten, an Mitbestimmung im schulischen Miteinander, Konfliktbegleitung, zuhören. Auch das gehört zur Realität. Auch das ist Teil dessen, was ich sehe und erlebe.

Nochmal auf’s Gefühlsfeld: Wenn alles da sein darf

In diesem Moment spüre ich, wie sich eine leise Erleichterung ausbreitet, als hätte sich etwas gelöst – ganz unauffällig, aber deutlich spürbar. Es ist eine Ruhe, die entsteht, weil Vertrauen langsam wächst. Eine Art vorsichtige Zuversicht, die aus Zeichen der Unterstützung gespeist wird.

Und gleichzeitig:

Ich bin angespannt – weil Ungewissheit bleibt und ich vieles stemmen muss. Ich bin frustriert – weil nicht alles klappt und die Belastung im Alltag spürbar ist. Ich bin unruhig – weil neue Fragen auftauchen und das schulische System mir so fragil und wenig verlässlich erscheint.

All diese Gefühle gehören dazu. Ich muss mich nicht für eines entscheiden. Ich kann wahrnehmen, dass sie nebeneinander existieren. Und indem ich sie benenne, bekommt mein inneres Erleben Halt und Orientierung.

Und jetzt entstehen Bitte / Strategie fast wie von selbst:

Meine Bitten nach außen:

  • Ich bitte die Schule meiner Kinder, flexible Vertretungsteams zu schaffen, damit Unterrichtsausfälle besser aufgefangen werden.
  • Ich wünsche mir, dass das Schulamt zuständige Krisenteams organisiert, die kurzfristige Hilfe leisten.
  • Ich bitte politische Entscheidungsträger, Bildung als Priorität zu behandeln und spürbare Mittel dafür bereitzustellen.

Und dann habe ich Bitten an mich selbst – als Mutter im Alltag:

  • Ich erlaube mir, in herausfordernden Momenten Ruhe zu bewahren und kleine, alltagstaugliche Lösungen zu entwickeln. Ich muss nicht alles perfekt organisieren, sondern darf Schritt für Schritt schauen, was trägt.
  • Ich organisiere Mini-Strukturen für unsere Kinder, rege kreative Beschäftigung an, spiele oder bewege mich gemeinsam mit ihnen, schaffe feste Zeiten und kleine Rituale. Und statt gegen Bildschirmzeit zu kämpfen, gestalte ich einladende Impulse für das, was daneben bestehen kann – Dinge, die Freude machen, uns verbinden und echten Kontakt ermöglichen.
  • Dabei binde ich meine Kinder aktiv ein – ich ermutige sie, Verantwortung zu übernehmen, mitzugestalten und kleine Beiträge für das gemeinsame Gelingen zu leisten. Sei es beim Vorbereiten, Aufräumen oder im achtsamen Miteinander: Ihre Perspektive und ihre Energie sind wertvolle Ressourcen.
  • Ich vernetze mich mit meinem Mann und anderen Eltern – wir teilen Ideen, entlasten uns gegenseitig und tragen gemeinsam dazu bei, dass Raum für Verbindung entstehen kann.
  • Ich achte bewusst auf meine eigenen Bedürfnisse und sorge für Entlastung, wo möglich.
  • Ich erinnere mich daran, dass mein Umgang mit der Situation meine Kinder mitprägt – und entscheide mich für Ruhe, Klarheit und Mitgefühl, z.B. indem ich regelmäßig atme

Die Magie des Tanzparketts wirkt ähnlich wie in systemischen Aufstellungen. Gefühle, Emotionen und Erkenntnisse können sich plötzlich beim Betreten und intuitiven Wechseln der Bodenkarten zeigen. Diese körperliche Erfahrung macht den Prozess intensiv und nachhaltig.

Das GFK-Tanzparkett kombiniert Struktur mit Flexibilität, ermöglicht Lernen mit allen Sinnen und führt zu tiefen Erkenntnissen – nicht nur im Kopf, sondern im ganzen Körper. Wer einmal erlebt hat, wie kraftvoll dieser Prozess sein kann, wird ihn nicht so schnell vergessen.

Hast du bereits Erfahrungen mit dem GFK-Tanzparkett gemacht? Teile deine Eindrücke oder komm zum Üben vorbei, am Samstag, den 19. Juli 11-13 Uhr in der Poststraße 12 in Tübingen.

👉 Jetzt anmelden & GFK in Bewegung bringen

Herzlichen Gruß zu dir, Sabine Dieterle

Quellen zum Artikel und zur weiteren inhaltlichen Vertiefung:

Materialien von Bridget Belgrave und Gina Lawrie:
Handbuch, Bodenkarten
https://www.nvcdancefloors.com/products-de

Filmquelle:
https://www.youtube.com/watch?v=KbBw6dXXdDU